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Hermann van Dyken (CDU)
Bürgermeister
Die Eröffnungsansprache des Meerwasserwellenbades hielt Bürgermeister Hermann van Dyken am 9. Juli 1970.
Meine Damen und Herren,
für die Geschichte Borkums ist die Einweihung des neuen Meerwasser-Wellen-Hallenbades ein denkwürdiges Ereignis. Die Errichtung dieses Bauwerks ist mehr als eine Verpflichtung, die wir dem guten Rufe Borkums als Nordseeheilbad schuldig sind. Der Neubau auch ist eine Folge der stürmischen Entwicklung im Bäder- und Fremdenverkehrswesen und des Interesses, das der Volksgesundheit überall in der Welt entgegengebracht wird.
Ich kann es mir ersparen, näher auf die Entwicklung des Neubaues und auf seine technischen Einzelheiten einzugehen, denn in Ihrer Hand befindet sich ein Sonderdruck unseres Heimatblattes, der „Borkumer Zeitung“, in dem all das aufgezeichnet wurde, was für Sie im besonderen und für die Oeffentlichkeit im allgemeinen wichtig zu wissen ist.
Dennoch möchte ich mich der Worte des Dankes nicht entziehen, die all denen gebühren, die mit der Erstellung des Bauwerkes eng verbunden sind.
Mit der Enthüllung der Ehrentafel für die Männer, die ihr Leben als höchstes Gut für die Verwirklichung des Hallenbades verloren haben und mit der Aufstellung der Büste unseres verstorbenen Ehrenbürgers und hochherzigen Spenders Wilhelm Feldhoff hat der Rat der Stadt Borkum heute sichtbar und zuerst seine Ehrenpflicht zum Ausdruck gebracht.
Mir bleibt der Auftrag, den berufenen Architekten und ihrer Bauleitung, den zahlreichen Firmen und ihren Männern, wie auch besonders unserem Stadtbauamt für den unermüdlichen Einsatz meinen Dank zu sagen, wobei ich das Urteil von Fachleuten als große anerkannte Leistung gerne weiter gebe, daß es gelungen ist, von dem Bauumfang her gesehen rund 80 Prozent des Bauwerkes in Jahresfrist soweit zu vollenden, daß heute die Einweihung stattfinden kann.
Danken möchte ich nicht zuletzt vor allem dem Landkreis Leer für seine fachliche und schnelle, finanzielle Hilfe sowie auch der Bezirksregierung und den Stellen der Landes- und Bundesregierung für ihre bisherige Unterstützung.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir im Rückblick sagen zu dürfen, daß ich anläßlich des Richtfestes zur Erreichung dieses Zieles die feste Absicht und das beharrliche Wollen allerseits als unbedingte Voraussetzung bezeichnete.
Heute, meine Damen und Herren, kann ich voller Genugtuung feststellen, daß die oftmals verkannte Zusammengehörigkeit aller Insulaner sichtbaren Ausdruck darin fand, daß alle angesprochenen Handwerksbetriebe und Vereinigungen bis hinunter zur Einzelperson bis zum heutigen Tage sofort bereit waren, in Tag- und Nachtarbeit in die Bresche zu springen, wenn Engpässe und Schwierigkeiten, die verständlicherweise in zahlreicher Form auftraten, unüberwindbar schienen.
Diese Tatsache, daß alle Bürger, auch wenn sie nicht eine tätige Mithilfe leisten konnten, in richtiger Erkenntnis über die Leistungsverbesserung unserer insularen Bäderwirtschaft zusammenstehen, berechtigt mich auch zu der Hoffnung, daß weitere Belastungen, die ein Kurort unseres Ranges in rastlosem Bemühen um den Fortschritt auf sich nehmen muß, auch weiterhin überwunden werden.
Meine Damen und Herren, der vorgenannte Sonderdruck geht auf grundsätzliche Fragen ein, so u. a. auf das Verkehrsproblem, auf die Gastronomie und das Beherbergungsgewerbe sowie auf zukünftige Planungen. All das soll Ihnen einen lebendigen Eindruck dessen vermitteln, worüber wir uns auf Borkum Gedanken machen, und daß auch für uns die Zeit nicht stillsteht, sondern daß unser Blick über die Gegenwart hinaus in die Zukunft gerichtet ist.
Wenn in diesem Bericht auch von dem die Rede ist, was Borkum zu bieten hat an kulturellen Leistungen und sportlichen Möglichkeiten bzw. von seinen einmaligen Naturschönheiten, dann bitten wir, dies nicht als ein Zeichen von Geltungsbedürfnis aufzufassen, sondern es als ein Bemühen zu werten, unseren vielen Freunden, den alten, treuen Kurgästen, aber auch künftigen Gästen ein möglichst objektives Bild von der Situation auf unserer Insel zu bieten.
Meine Damen und Herren, ich mache mich sicher nicht des Plagiats schuldig, wenn ich an dieser Stelle meine weiteren Ausführungen auf eine Ansprache stütze, die unser verehrter Altbürgermeister Kieviet im Oktober 1928 vor der Berliner Presse im Hotel „Excelsior“ gehalten hat.
Hier wird in gedrängter Form eine geschichtliche Entwicklung Borkums geboten, die in die Erinnerung zurückzurufen gerade am heutigen Tage von Bedeutung ist.
Bürgermeister Kieviet ging in seiner Ansprache bis in die Anfänge des Badebetriebes Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück.
Die damaligen Segelschiffe, jede Bequemlichkeit für Reisende vermissen lassend, vermittelten den Verkehr nach Borkum, und wenn die Gäste nach zeitraubender und mühevoller Fahrt hier ankamen, dann mußte nach umständlicher Ausbootung die etwa 1 deutsche Meile lange Fahrt zum Inseldorf auf einem holperigen Ackerwagen und auf ungepflegten Sandwegen erfolgen.
Selbst kleine Badezelte brachten die Gäste mit, weil Bademöglichkeiten sonst nicht vorhanden waren.
So eine Urlaubsreise hatte damals also mehr den Charakter einer Expedition.
Der Fortschritt stagnierte aus diesem Grunde lange Jahre. Erst mit dem Bau der sogenannten Westbahn (Rheine – Emden) stieg durch diese Verkehrsverbesserung die Zahl der Borkum besuchenden Gäste an.
Aber die Steigerung hielt sich bis zum Jahre 1870 in noch recht bescheidenen Grenzen. Nach 1871 setzte alsbald ein regerer Fremdenverkehr ein, der 1872 mit einer Besucherzahl von 1602 Erholungssuchenden abschloß, wobei nunmehr auch in den Sommermonaten der Verkehr zwischen Emden und Borkum vermittels Dampfschiffen aufgenommen wurde.
Zur humorvollen Auflockerung möchte ich noch ein Erlebnis hinzufügen, das ein Gast auf dem, in den 90er Jahren in Dienst gestellten Dampfer „Dr. von Stephan“ hatte:
Auf die Frage an den damaligen Kapitän Lüken, welche Geschwindigkeit sein Schiff fahren würde, erhielt der Gast warnende Antwort: „Springen Sie nicht hoch, sonst läuft das Schiff unter Ihnen weg!“
Eine Badekommission wurde eingesetzt, die für Badeeinrichtungen, den Bau von gepflasterten Fußwegen und sonstigen Bequemlichkeiten, der sich ständig vermehrenden Zahl der Gäste zu sorgen hatte.
So kam das Jahr 1879 heran und damit ein Ereignis, das den Anstoß zu einer grundlegenden Änderung Borkums als Seebad geben sollte.
Am 13. Februar des Jahres fiel das Wahrzeichen Borkums, der 1576 von der Emder Kaufmannschaft erbaute Leuchtturm, einem verheerenden Feuer zum Opfer.
Der beschleunigte Ersatzbau eines neuen Leuchtturms erforderte wegen der gewaltigen Materialmengen ein Transportmittel, das in Form einer Pferdebahn diesen Zweck erfüllte und später in eine Dampfbahn umgewandelt wurde, die nunmehr eine feste Verbindung darstellte, die imstande war, den ganzen Personen- und Frachtverkehr von dem ebenfalls neu erbauten Hafen bis zum Ort rasch und in bequemer Weise zu bewältigen.
Unsere heutige Bahn erhebt wohl keinen Anspruch mehr darauf, als neueste Errungenschaft zu gelten, dafür aber gilt sie als gemächliches und idyllisches Verkehrsmittel unter den Gästen — und hat insbesondere unter den Kindern eine große Verehrerschar — die sich erst dann richtig im Urlaub fühlen, wenn sie die Fahrt von der Reede zum Bahnhof absolvieren.
Gleichlautend mit dieser Verbesserung wurden auch auf dem Gebiet des Verkehrs und der Hygiene entsprechende Maßnahmen vorgenommen, und im Jahre 1900 die Anlage einer zentralen Wasserversorgung mit einem Kostenaufwand von rund 150.000 Goldmark erstellt, an die sich auch noch ein Gaswerk, erbaut durch eine auswärtige Firma, anfügte.
Im Jahre 1910 entschloß sich die Gemeindevertretung, eine Wandelhalle zu erbauen, und zwar in einer Weise und einem Ausmaß, wie dies bisher auf keiner Nordseeinsel erreicht worden war.
Diese, noch jetzt bestehende Gesamtanlage wurde damals mit einem Kostenaufwand von rund 750 000 Goldmark hergestellt.
Dieses, in ihrer imposanten Länge von 180 Metern einmalige Gebäude bietet allen Gästen bei unfreundlichem Wetter nicht nur eine Unterkunft mit ausreichender Bewegungsfreiheit, sondern es werden auch durch eine mustergültige Wirtschaft alle Wünsche der Gäste erfüllt.
Vor und oberhalb dieser geschlossenen Wandelhalle finden sich ausgedehnte Promenaden, auf welchen die Gäste den täglich zwei- bis dreimal stattfindenden Konzerten der Kurkapelle zu lauschen Gelegenheit haben.
Mit den hier geschilderten Anstrengungen und Aufwendungen konnte die Bädergemeinde nach jeder Richtung mit anderen Inseln in Konkurrenz treten, und man darf wohl ohne Überhebung sagen, daß Borkum mit seinen Einrichtungen an der Spitze der Nordseebäder marschierte.
Meine Damen und Herren, als besonders beachtlich müssen diese Leistungen angesehen werden, die unsere Väter erstellten, da sie aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe diese große Einrichtung erbauten.
Diese große Eigeniniative, die wir mit diesem Bauwerk fortsetzen wollen, bestätigten dann auch die Besucherzahlen die im Jahre 1911 auf 29 870 anstiegen, und berechtigten zu der Annahme, daß die von der Gemeinde gemachten Aufwendungen auch entsprechende Einnahmen zur Folge hätten, die eine Lebensfähigkeit für die Inselbevölkerung auf Jahre hinaus bedeuten würde.
Der Krieg 1914-18 machte alle diese Erwartungen zunichte, und dieser Rückschlag traf die gesamte Einwohnerschaft, da sie direkt und indirekt lediglich auf den Fremdenverkehr angewiesen war.
Die ersten Nachkriegsjahre ließen, ganz langsam steigend, den Fremdenverkehr wieder in Fluß kommen, aber die einsetzende Inflation zerstörte nicht allein alle Hoffnungen, sondern ließ auch alles Erreichte im Nichts zerfließen.
Die nun folgenden Jahre nach Eintritt der festen Währung, namentlich die Jahre 1924 und 1925, berechtigten hinsichtlich des Fremdenverkehrs zu der Hoffnung der Wiederkehr der Vorkriegsjahre, wenngleich die Zahl der Gäste vorerst noch gegen 1911 nicht unerheblich zurückblieb. Aber der danach einsetzende, allgemeine wirtschaftliche Niedergang im deutschen Vaterlande und die stets steigende Geldknappheit ließ die Zahl der Gäste im Jahre 1928 weiter erheblich zurückgehen.
Aber trotz der Schwere der Zeit hat die Ortsverwaltung im Jahre 1927 eine Anlage geschaffen, die Borkum wiederum vor den anderen Nordseebädern heraushebt.
Unter Aufwendung eines Kostenbetrages von 200 000 Reichsmark erbaute sie damals eine über 1 km lange und 13 m breite Strandpromenade, die imstande ist, auch der größten Zahl der Kurgäste Gelegenheit zu wundervollen Spaziergängen direkt am Meer zu geben, und damit den Besuchern den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.
Soweit die Worte unseres verstorbenen Altbürgermeisters Kieviet.
Wenn in der Folgezeit die Wirtschaftskrise der 30er Jahre sowie der große 2. Weltkrieg für alle Bäder zum Teil vernichtende Folgen hatte, so begann doch in den 50er Jahren wiederum ein mühseliger Aufbau.
Es wurden weitere Anlagen geschaffen und die vorhandenen erweitert. Auch unsere Schiffahrtsgesellschaft bietet nach dem damaligen Verlust von mehreren Schiffen heute mit ihren neuen Fahrgastschiffen und -fähren eine sichere, schnelle, bequeme und erlebnisreiche Ueberfahrt.
Die Gästezahlen vergrößerten sich in zunehmender Weise, und im Jahre 1969 konnten wir 78 792 Gäste mit ca. 1,5 Millionen Uebernachtungen auf unserer Insel begrüßen.
Ich möchte abschließend wiederum auf die weitsichtige und richtungsweisende Schlußerklärung des Bürgermeisters Kieviet zurückgreifen, der damals sagte:
„Meine Herren! Ich bin mit meinen Ausführungen zu Ende. Sie wollen mir nun gestatten, daran eine Bitte zu knüpfen. Die wissenschaftliche Forschung über die unermeßlichen Heilfaktoren, die in unserem Nordseeklima schlummern, schreitet rüstig vorwärts. Erwünscht, ja sehr notwendig ist und bleibt es, daß diese Erkenntnis durch die weiteste Verbreitung in der Presse Allgemeingut unseres Volkes wird.“
Und auch hier, an dieser Stelle, möchte ich Sie, meine Damen und Herren von der Presse und des Fernsehens, die wir in dankenswert großer Zahl hier begrüßen können, bitten, sich im Interesse der Volksgesundheit dafür einzusetzen, daß der Wert der Heilfaktoren an der See mehr und mehr im Volksbewußtsein wächst. Nicht zuletzt deswegen schließt der Bericht der „Borkumer Zeitung“ bewußt mit der Betrachtung eines Mediziners über den therapeutischen Wert eines Aufenthaltes und einer Kur im Hochseeklima der Insel Borkum ab.
Wir können auch heute nur die Erwartung aussprechen, daß sie all das, was Sie auf Borkum mit eigenen Augen wahrnehmen und was Ihnen als Männer der Feder mit Ihrem Gespür für Tatsachen begegnet, möglichst objektiv und ausführlich vor der Oeffentlichkeit ausbreiten.
Ihnen allen, meine Damen und Herren, wünsche ich auf der Nordseeinsel Borkum erlebnisreiche und frohe Stunden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und darf Sie noch einmal auf das allerherzlichste willkommen heißen.