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Kristin Mahlitz (SPD)
Bürgermeisterin
Die Silvesteransprache 2010 hielt Bürgermeisterin Kristin Mahlitz. Die Rede fand traditionell im Rahmen des Jahresaussingens des Männerchors des Vereins Borkumer Jungens auf dem Gelände der Grundschule statt.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Freunde, Nachbarn, Kollegen und Bekannte,
liebe Gäste,
es ist mal wieder Silvester! Und wie in jedem Jahr pflegen wir unsere schöne Tradition und treffen uns sechs Stunden vor der Begrüßung des neuen Jahres hier auf dem Grundschulvorplatz, um nochmal einen kurzen Blick auf die vergangenen 12 Monate zu werfen. Ich freue mich sehr, dass Sie wieder so zahlreich erschienen sind und heiße Sie herzlich willkommen!
Für die feierliche Atmosphäre sorgen an dieser Stelle wie immer der Männerchor und der Borkumer Jungsverein – hierfür mein von Herzen ausgesprochenes großes Dankeschön!
Das Jahr 2010 geht zu Ende. Was waren die Themen, die uns bewegt haben?
Es stapelte sich der Impfstoff der überstandenen Schweinegrippe, unser Leben wurde wochenlang von einer in unseren Breiten unsichtbaren Aschewolke eines isländischen Vulkans mit dem unaussprechlichen Namen „Eyjafjallajökull" bestimmt, Unglücke wie das Drama um die Love-Parade, das Erdbeben in Haiti und die Flutkatastrophe in Pakistan haben uns erschüttert.
BP hat unser Vertrauen verloren und die Unterwasserwelt des Golfs von Mexiko unser Interesse gewonnen. Mit Christian Wulff haben wir nach dem spektakulären Rücktritt Horst Köhlers ein neues Staatsoberhaupt. Gefeiert wurden die Deutsche Nationalmannschaft und Sängerin Lena. Aufgeregt hat sich die Nation über die Thesen zur Integration von Thilo Sarrazin. Google, Facebook und Wikileaks haben in diesem Jahr etwas geschafft, was schon fast unmöglich schien – es gibt wieder eine Diskussion über den Datenschutz und über Persönlichkeitsrechte in Zeiten des Internets. Den Durchblick bei der Klima-Debatte haben hingegen nur noch die Wenigsten.
Das alles und noch viel mehr hat das Jahr 2010 Deutschland gebracht. Und speziell für Borkum hatte es ebenfalls einiges im Gepäck:
Wir haben es endlich geschafft, das wichtige Thema „Burkana-Hafen" in fachkundige und vor allem unabhängige Hände zu geben. Somit dürfte einer Vergabe im kommenden Jahr nichts mehr entgegenstehen.
Nachdem unser bislang privat geführtes Krankenhaus von Herrn Ali aufgrund von Krankheit nicht weiter betrieben werden kann, wird nun unter Federführung des Klinikums Leer ein völlig neu zu bauendes Krankenhaus entstehen.
Der dazu notwendige Ratsbeschluss erfolgte nach völlig unnötigen und Zeit verschwendenden politischen Winkelzügen pünktlich zu Weihnachten und zwar parteiübergreifend mit seltener Einstimmigkeit.
Für uns heißt das, dass wir nach Bereitstellung der Landesmittel ein Krankenhaus mit erheblich besseren stationären Versorgungsmöglichkeiten bekommen.
Dank an dieser Stelle nochmal an Herrn Ali, der sich bis zum Eintritt seiner Erkrankung jederzeit mit ganzer Kraft für die gesundheitlichen Belange der Insulaner und Gäste eingesetzt hat und von uns allen nochmal von ganzem Herzen die besten Wünsche für eine möglichst vollständige Genesung.
Was haben wir noch alles erreicht?
Durch den Um- bzw. Anbau wurden die Betreuungsmöglichkeiten in unserem städtischen Kindergarten ganz erheblich verbessert. Außerdem haben wir in diesem Jahr unsere erste Krippe einweihen können. Rund 550.000 € wurden in diese beiden Maßnahmen investiert.
Weitere Gelder wurden zudem in unsere Spielplätze investiert, die nun allesamt wieder gut in Schuss sind.
Doch nicht nur für unsere Jüngsten, sondern auch für unsere Seniorinnen und Senioren konnte Dank der Sander Pflege GmbH das Betreuungsangebot erweitert werden: der Neubau mit den zusätzlichen Zimmern wurde in diesem Jahr fertig gestellt – und sowohl dieser neue Trakt als auch der sanierte Altbau können sich wahrlich sehen lassen.
Mit der Genehmigung des Dorferneuerungskonzeptes ist ein weiterer Meilenstein gesetzt.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Borkumerinnen und Borkumern, die sich ehrenamtlich für dieses wichtige Projekt engagiert haben.
Mit Ihren Ideen werden wir das Ortsbild unserer Insel noch positiver gestalten können und so die Weiterentwicklung Borkums ganz erheblich beschleunigen.
Meine Damen und Herren,
als ich seinerzeit von Ihnen zur ersten hauptamtlichen Bürgermeisterin gewählt wurde, haben Sie mir einen großen Vertrauensvorschuss gegeben, aber insgeheim hat der ein oder andere von Ihnen sich bestimmt gefragt: „Schafft sie das?"
Ich hoffe, dass ich Ihnen in meiner bisherigen Amtszeit beweisen konnte, dass ich das Vertrauen, das Sie mir schenkten, nicht enttäuscht und gute Arbeit zum Wohle Borkums geleistet habe.
Heute, am letzten Tag des vorletzten Jahres meiner Amtszeit, kann ich Ihnen sagen, dass die letzten fünfeinhalb Jahre so schnell vergangen sind wie noch kein anderer Abschnitt in meinem Leben.
Man sagt zwar, dass im Alter die Zeit schneller vergeht, ich habe aber für mich eine ganz andere Erklärung gefunden:
Die Arbeit als Bürgermeisterin unserer Insel macht mir so viel Freude, ist so abwechslungsreich und ich gehe in dieser Aufgabe voll und ganz auf, sodass die Zeit aus diesem Grund wie im Fluge vergangen ist.
Wobei eines klar ist: gegen von vornherein bestehende Ablehnungshaltungen Einzelner ist nun mal definitiv kein Kraut gewachsen. Oder doch: Humor und ein dickes Fell.
Diese wichtigen Grundbausteine sind mir zum Glück in die Wiege gelegt worden und ich denke, dass es mir in den letzten Jahren durchaus gelungen ist, mit denjenigen, die wirklich mit mir zusammenarbeiten wollten und wollen – und das ist glücklicherweise die große Mehrheit – eine angenehme und konstruktive Arbeitsatmosphäre herzustellen.
Ansonsten hätten die vielen Projekte der letzten fünfeinhalb Jahre ja auch gar nicht angeschoben bzw. umgesetzt werden können.
Wenn ich alleine an die zwei großen Privatisierungen „Seniorenheim" und „Wohnbau" denke: Zwei Großprojekte, die mir und meinen Mitarbeitern wirklich alles an Zeit, Kraft und Nerven abgefordert haben – insbesondere auch deshalb, weil sich die Politiker im Stadtrat lange Zeit nicht für die jeweils von mir und meiner Verwaltung erarbeiteten Lösungsvorschläge entscheiden konnten.
Kanalsanierung, Golfplatz, Ausbau des Hochwasserschutzes, Einführung eines Rats- und Bürgerinformationssystems: ebenfalls alles große Projekte, die entweder schon abgeschlossen sind oder kurz vor der Realisierung stehen.
Ich bedanke mich an dieser Stelle bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie all die genannten Themen mit mir gemeinsam sehr engagiert bearbeitet und dabei immer ihre gute Laune behalten haben.
Meine Damen und Herren,
2011 wird sicherlich wieder ein Jahr mit vielen Herausforderungen. Und es wird ein besonderes Jahr. Denn am 11. September ist Kommunalwahl. Und diejenigen, die mich nun gar nicht mögen, können aufatmen: denn wie Sie gerüchteweise ja bestimmt schon vernommen haben, werde ich mich um das Bürgermeisteramt nicht wieder bewerben.
Ich habe interessante, abwechslungsreiche, zum Teil komplizierte, aber überwiegend erfolgreiche Tage, Wochen und Jahre im Borkumer Rathaus verbracht.
Dabei durfte ich unmittelbar und hautnah erleben, was von einer leistungsstarken, am Gemeinwohl orientierten Verwaltung alles verlangt wird und wie flexibel man reagieren muss bei dem Bemühen, das Schlagwort vom bürgerfreundlichen, unbürokratischen Handeln in die Tat umzusetzen.
Und ich habe erfahren, welche Herausforderung, aber auch Befriedigung es bedeutet, eigenverantwortlich und selbständig die Gestaltungsmöglichkeiten einer um bestmögliche Lösungen für alle Bürger bemühten Verwaltung auszuschöpfen. „Gläsernes Rathaus" ist zum Beispiel immer so ein Schlagwort.
Wer immer noch meint, das Rathaus habe undurchdringliche Mauern, der möge einfach mal den Bürgerinformationsdienst auf der städtischen Homepage aufsuchen und schon kann er sich über alle aktuellen und auch schon weiter zurückliegenden Ereignisse in Kenntnis setzen lassen.
Das gab es vor meinem Amtsantritt nicht.
Jetzt wissen Sie allerdings immer noch nicht, warum ich nicht wieder antreten werde. Es hat ausschließlich mit dem politischen Umfeld hier vor Ort zu tun. Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich nicht politisch taktiere. Für mich zählt die sachliche Auseinandersetzung. Ich kann deshalb gewisse Dinge einfach nicht nachvollziehen und bin vor allem nicht bereit, mich über das Ende meiner jetzigen Amtszeit hinaus mit all diesen unnützen Querelen, die die Politik vor allem hier auf Borkum leider mit sich bringt, befassen zu müssen.
Manfred Rommel, ehemaliger Oberbürgermeister von Stuttgart, hat mal einige Regeln aufgestellt, wie eine Stadt unregierbar wird.
Ich zitiere nur einige Punkte – die werden Ihnen aber sicherlich bekannt vorkommen:
„Fehler und Irrtümer werden von Kommunalpolitikern niemals zugegeben. Was einmal gesagt wurde, ist richtig. Was die anderen gesagt haben, ist falsch. Punktum!"
„Was die politische Konkurrenz vorschlägt, wird immer abgelehnt."
„Denke stets ausschließlich an den nächsten Wahlkampf."
„Wo ein Wunsch ist, ist auch Geld! Wisch finanzwirtschaftliche Einwände als bürokratisch und unpolitisch vom Tisch."
„Mehrheit ist immer Wahrheit".
„An Missständen ist die politische Konkurrenz schuld, der gegenüber jeder Griff erlaubt ist."
Ja, Sie schmunzeln – und auch mir fallen wirklich zu jedem dieser Punkte viele Begebenheiten ein, die den Wahrheitsgehalt der von Herrn Rommel aufgestellten Regeln unterstreichen, aber nur auf die beiden zuletzt genannten möchte ich ein klein wenig näher eingehen:
„Mehrheit ist immer Wahrheit". Dass diese Wahrheit auch skurril sein kann, wurde für mich besonders deutlich, als der Rat der Stadt Borkum im November letzten Jahres mehrheitlich beschloss, zusammen mit dem Bauherrn eines Kohlekraftwerks ein Tourismuskonzept für unsere Insel zu entwickeln – skurril vor allem vor dem Hintergrund, dass vor rund sechs Jahren Windkraftanbieter mit der Schlagzeile „Wir verkaufen unsere Seele nicht!" von der Insel gejagt wurden. Als die ersten Fernsehsender anfragten, was denn auf einmal auf Borkum los sei, blieb mir nur, auf die Fakten, sprich: den bestehenden Ratsbeschluss zur künftigen Zusammenarbeit mit der RWE hinzuweisen.
Nach meiner persönlichen Meinung gefragt, habe ich selbstverständlich meine Fassungslosigkeit über diesen neuen Weg ausgedrückt.
Und jetzt kommen wir zu dem zweiten Zitat von Rommel, auf das ich näher eingehen möchte: „An Missständen ist die politische Konkurrenz schuld, der gegenüber jeder Griff erlaubt ist." Unmittelbar auf die Fernsehberichterstattung erfolgte ein „Griff", der in jedem anderen Ort der Bundesrepublik vermutlich Empörung nach sich gezogen hätte, hier auf der Insel allerdings vollkommen geräuschlos und ohne jede Reaktion über die Bühne gegangen ist.
So stand am 16.04. dieses Jahres in der Borkumer Zeitung am Ende eines eindeutig politisch gefärbten Artikels, der für mich menschlich gesehen völlig unter die Gürtellinie ging, zu lesen:
„Man kann nur hoffen, dass ihr [Mahlitz] nicht das gleiche Schicksal droht wie einst der Adelheid in Goethes Drama „Götz von Berlichingen", die die ahnungsvollen Worte sprach: „Ich habe mich hoch ins Meer gewagt und der Sturm fängt an, fürchterlich zu brausen. Zurück ist kein Weg."
Denjenigen, die sich an das Drama nicht mehr so recht erinnern können, sei gesagt: Adelheid wurde zum Tode verurteilt. Natürlich habe ich mich im Laufe der Jahre nicht nur an gute, sondern auch an schlechte Presse gewöhnt.
Sie gehört nun mal zum Geschäft, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Aber es gibt Grenzen und die wurden hier eindeutig überschritten. Noch bedenklicher als den Artikel selbst empfand ich – wie gesagt – jedoch die Tatsache, dass nur vom Festland Reaktionen darauf kamen.
Sei's drum: Ich lebe noch, obwohl ich mich nach wie vor niemals auf den Kuschelkurs mit der RWE einlassen werde. Denn ich bin weiterhin davon überzeugt, dass Borkum auch ohne finanzielle Hilfe von Energiekonzernen wieder ganz nach vorne kommt – auf die vielen Projekte, die in den letzten Jahren schon erfolgreich umgesetzt wurden, bin ich bereits eingegangen.
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass eine Bürgerinitiative, deren Grundgedanken ja durchaus mal positiv zu bewerten waren, nach anfänglichen Protesten auf einmal Verhandlungen mit der RWE führt – angeblich, weil der Kampf ja schon verloren sei – und den Rat dann mit genau diesem Argument bedrängt, das Verhandlungsergebnis nun doch bitteschön auch anzunehmen, was leider Gottes auch noch passiert, obwohl die RWE bis heute noch nicht mal eine Betreibererlaubnis für ein Kohlekraftwerk hat. Das ist schon ganz schön harter Tobak.
Gehen Sie in einer ruhigen Minute einfach mal auf die Internetseite der RWE, dort geht das Unternehmen sehr offensiv mit dieser neuen „Partnerschaft" um.
Kohlekraft und Kurbetrieb: geht nicht, gibt's nicht. Passt alles prima zusammen, es muss nur das richtige Konzept zusammengestrickt werden. Imagepflege nennt sich das. Und die hat die RWE AG dringend nötig. Jetzt hat das Unternehmen, was es braucht, um nach außen mit einer vermeintlich weißen Weste glänzen zu können.
Leider stehe ich mit meiner Meinung zu dieser für Borkum existenziell wichtigen Angelegenheit relativ alleine da. Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass unsere Klagen und unsere Forderungen nach Einhaltung der höchsten Umweltstandards keineswegs chancenlos sind. Verhandlungen von Bürgerinitiativen bzgl. eventueller Gegenleistungen halte ich daher für völlig verfrüht, wenn nicht gar für abwegig. Selbstverständlich akzeptiere ich die mehrheitliche Meinung hier auf der Insel. Ich kann und werde mich allerdings nicht verbiegen und dieses Thema so positiv vorantreiben, wie ich es aufgrund der Beschlusslage eigentlich machen müsste.
Jetzt aber genug der nachdenklichen Worte. Kommen wir wieder zu einem erfreulichen Thema.
Auch in diesem, sich dem Ende neigenden Jahr haben wieder viele Menschen in beispielloser Weise zum Wohl unserer Inselgemeinschaft beigetragen – uneigennützig und ehrenamtlich.
Ihnen gebührt ein großes Dankeschön, ebenso wie den zahlreichen Vereinen, Firmen und Institutionen, die stets Solidarität zeigen, wenn Hilfe benötigt wird. Sie warten nicht, Sie kümmern sich. Sie jammern nicht, Sie handeln. Sie alle sorgen in den verschiedensten Bereichen dafür, dass Borkum lebens- und liebenswert ist und bleibt.
Bevor ich nun auch schon das Ende meiner Ansprache einläute, möchte ich traditionsgemäß noch auf die Daten des Standesamtes eingehen.
Insgesamt wurden in diesem Jahr bis gestern 152 Trauungen vorgenommen. Eine davon fand besondere Beachtung und wurde sehr positiv in der örtlichen und überörtlichen Presse erwähnt, nämlich die erste standesamtliche Trauung im Kaiserwagen der Borkumer Kleinbahn. Ein weiteres Highlight für den Hochzeitstourismus wird ab 2011 unser Feuerschiff sein, auf dem künftig ebenfalls Trauungen möglich sein werden.
Von den 41 neuen Erdenbürgern, die 2010 geboren wurden und hier auf der Insel gemeldet sind, steht bei 9 Kindern „Borkum" als Geburtsort im Pass. Ich wünsche den kleinen Insulanerinnen und Insulanern von Herzen alles Gute für ihr Leben.
Für viele Familien war 2010 aber leider auch ein sehr schweres Jahr, denn 70 Menschen haben sich für immer von uns verabschiedet. Lassen Sie uns einen Moment innehalten, um den Angehörigen in Stille unser Mitgefühl auszudrücken und der Verstorbenen zu gedenken.
Liebe Borkumerinnen und Borkumer,
liebe Freunde, Verwandte, Bekannte und Gäste,
jetzt haben wir genug rückwärts geblickt – schauen wir lieber vorwärts, das ist viel lohnender, hat schon Woody Allen erkannt: „Ich denke viel an die Zukunft, weil das der Ort ist, wo ich den Rest meines Lebens verbringen werde", sagte er einmal.
Nun gibt es ja bekanntlich viele Wege, das neue Jahr zu begrüßen: Wir Deutschen trinken gerne Sekt, zünden Raketen und üben uns im Bleigießen, um einen Blick in die Zukunft zu erhaschen.
Wir wünschen uns in diesen Tagen gegenseitig „ein gutes neues Jahr" und fassen eine Menge großartiger Vorsätze dafür – alles Rituale und Gewohnheiten, die uns ebenso lieb wie vertraut sind.
Aber wie macht man es anderswo?
Aus Rom stammt ein origineller Brauch: Als Glücksbringer oder Liebesbotschaft trägt man in der Silvesternacht rote Unterwäsche. Wer vorher keine geschenkt bekommen hat, muss mit heißen Maroni oder Kartenspielen Vorlieb nehmen.
Aus Spanien ist ebenfalls ein ausgefeiltes Ritual bekannt: Kurz vor Mitternacht versammeln sich die Menschen vor Kirchen oder auf den Rathausplätzen. Und bei jedem der zwölf Glockenschläge schieben sie sich eine Weinbeere in den Mund und denken sich jeweils einen Wunsch aus. Wer dabei durcheinander kommt, hat alles versiebt. Das Pech klebt dann im nächsten Jahr schwer an den Sohlen. Alle anderen Wünsche gehen selbstverständlich in Erfüllung. So einfach funktioniert das offenbar!
Was die Schotten so treiben, überrascht uns dann aber doch: Sie servieren Fremden, die an die Tür klopfen, aber gern auch sich selbst eine Art „Gruselpunsch". Die Mischung heißt „Hot Pint" und besteht aus Starkbier, Whisky und Eiern. Dazu werden Früchtekuchen und gefüllter Schafsmagen gereicht. Wer das überstanden hat, bei dem kann eigentlich nichts mehr schiefgehen!
Geheimnisvoller geht es bei den Griechen zu. Um Mitternacht wird das sog. „Basiliusbrot" angeschnitten. Darin ist eine Gold- oder Silbermünze versteckt. Wer sie findet, gilt als Glückskind, ist ein wenig reicher und kann bei Bedarf leichter seinen Zahnarzt bezahlen.
Deutlich lauter geht es in der Schweiz zu - die lassen es richtig krachen. Böller, Glocken und Jodelgesänge von Jugendlichen, die als Kobolde und Dämonen verkleidet sind, vertreiben auch den hartnäckigsten bösen Geist.
Aber auch bei uns in Deutschland gab es früher Silvesterbräuche, die heute etwas aus der Mode gekommen sind. Vor 200 Jahren verbrannte man in Berlin gern alte Kleider, um Schlechtes zu vergessen und neu anzufangen. Das Waschen von Wäsche unterließ man zwischen Weihnachten und Neujahr: natürlich, weil das Unglück bringt!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, so gesehen sind unsere Rituale heute – Sekt, Raketen, gute Gespräche und große Vorsätze – vielleicht nicht ganz so originell wie in anderen Ländern.
Aber eines sind sie ganz gewiss: Es sind gesellige und heitere Rituale, die wir gern pflegen und die unser Miteinander bereichern.
Möge Ihnen 2011 nur Gutes bringen.
Und nun wünsche ich Ihnen einen schönen Silvesterabend.