Details
  • Titel:Eröffnungsrede Bürgerdialog 2019
  • Veröffentlichung:19.09.2019
  • Ort:Großer Saal, Kulturinsel
  • Sprache:Deutsch
Autor
Verfügbarkeit
  • Urheberrecht:Gemeinfrei

Die Eröffnungsrede der Dialogveranstaltung zum Leitbild „Borkum 2030“ am 10. Juli 2019 in der Kulturinsel hielt Bürgermeister Georg Lübben. Er sprach vor allem über die Auswertung vorausgegangener Planungen zur Weiterentwicklung der Insel und notwendige Infrastrukturinvestitionen. Besonders im Fokus stand die Debatte über eine mögliche Veräußerung einer Brache im nördlichen Kurviertel zugunsten eines geplanten Neubaus des Hotels „Miramar“.

Digitalisierter Volltext

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Borkumerinnen und Borkumer,
liebe Gäste,
liebe Ratsmitglieder,

ich freue mich sehr, dass Sie heute zu dieser Bürgerdialogveranstaltung gekommen sind. Herzlich willkommen.
Es hat in den letzten Tagen und Wochen doch einige Irritationen gegeben und ich glaube, es ist an der Zeit, Ihnen aus unserer Sicht einmal darzulegen, warum wir uns über unsere gemeinsame Zukunft hier auf der Insel Gedanken machen müssen und welche Überlegungen in Rat und Verwaltung und im Aufsichtsrat der GmbH in diesem Zusammenhang angestellt werden. Dies alles ist nicht mit einem Satz zu erklären. Auch ist es meiner Meinung nach nicht der richtige Weg, über Leserbriefe zu kommunizieren.
Deshalb soll hier heute nach den Vorträgen jeder die Gelegenheit haben, sich mit Fragen oder Anregungen an uns zu wenden. Wenn die Zeit heute nicht ausreicht, werden wir eine weitere Veranstaltung durchführen.

Ich möchte hier keine langen Reden führen. Ich halte aber viel davon, die Dinge auch deutlich zu benennen: Natürlich kann ich angesichts der Gästezahlen, insbesondere über Ostern und Pfingsten und in den Hauptferienmonaten diejenigen verstehen, denen ein „immer weiter, immer höher, immer besser, immer mehr“ durchaus Angst macht.
Deshalb vorweg, bevor der Geschäftsführer der Nordseeheilbad Borkum GmbH, Göran Sell, und Fachleute das Wort an Sie richten: Ich glaube, ich spreche für alle meine Ratskolleginnen und -kollegen, wenn ich sage, dass hier niemand einen ungebremsten Tourismus und einen Ausverkauf der Insel will. Das können Sie auch daran erkennen, dass wir seit Jahren eine sehr restriktive Baupolitik betreiben und unsere Bebauungspläne so aufgestellt haben, dass ungebremster Ferienwohnungsbau nicht mehr möglich ist. Wir haben in diesem Zusammenhang sogar – ausgehend von Borkum – erreicht, dass das Baugesetzbuch geändert wurde. Dies alles war notwendig, um zu bezahlbarem Wohnraum zu kommen, Spekulationen so weit wie möglich einzugrenzen und einen Ausverkauf bzw. Sylter Verhältnisse zu vermeiden. Leider geht das nicht von heute auf morgen. Die Bevölkerung und natürlich auch der Rat waren bereit, dafür erhebliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen.
Auf der anderen Seite leben wir aber auch vom Fremdenverkehr. Das ist und bleibt unsere Existenzgrundlage, auch wenn wir auf anderen Feldern aktiv sind und z.B. versuchen, uns als Servicestandort für Offshore zu etablieren und den Hafen entwickeln wollen. Auch im in die Jahre gekommenen Kurviertel braucht es Entwicklung, wenn man etwa an die Kulturinsel denkt.
Das alles ist aufgrund der sich ändernden Rahmenbedingungen, über die gleich noch zu reden sein wird, dringend erforderlich und funktioniert nur, wenn wir Fördergelder erhalten. Deshalb ist es auch wichtig, dass zusammen mit Borkumerinnen und Borkumern ein Leitbild Borkum 2030 entwickelt und auch – wieder gemeinsam – ein Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept, das sogenannte ISEK, erarbeitet wurde, welches einstimmig vom Rat beschlossen wurde. Ziel ist es, die Insel nicht nur für Gäste, sondern insbesondere auch für die Borkumer selbst lebens- und liebenswert zu erhalten und zu entwickeln und die Lebensqualität zu erhöhen.
Über den Haushalt der Stadt Borkum will ich nicht lange reden. Der ist auf einem guten Weg. Wenn alles planmäßig und normal läuft und der Rat seine restriktive Haushaltspolitik beibehält, werden wir nächstes Jahr einen ausgeglichenen Haushalt haben. So die Prognosen der Kämmerin.
Wir wissen aber auch alle, dass große Aufgaben mit enormen Belastungen vor uns liegen. Als Beispiel sei hier der Zustand der Straßen genannt. Wir haben zwar in den letzten Jahren vieles z.B. über die Dorferneuerung saniert, trotzdem bleibt noch viel zu tun. Weitere Beispiele kann man aufzählen: Grundschule, Kinderkrippe, Breitbandausbau usw.

Und in der Nordseeheilbad Borkum GmbH müssen wir nach Auskunft des Werkdirektors Axel Held mittelfristig das Wasserwerk mit einem Millionenaufwand erneuern und in das Stromnetz stetig investieren. Zudem soll die Energieversorgung umgestellt werden auf emissionslose Versorgung. Der Hafenbereich soll umgestaltet werden, unter anderem, um hier mehr vom Offshorebereich zu profitieren, aber auch um den Ortsteil zu entwickeln. Dadurch erhoffen wir uns mehr Wirtschaftskraft und damit mehr Einnahmen, sodass nicht dauernd Abgaben erhöht werden müssen. Wir haben erfolgreich Mittel aus der Städtebauförderung eingeworben. Auf der Grundlage von Borkum 2030, ISEK und einer sogenannten Vorbereitenden Untersuchung (VU) unterstützen das Land und der Bund die nun anstehende Entwicklung des Ortsteils Reede mit über 13 Mio. Euro. Trotzdem wird dies alles zunächst auch nicht unerhebliche Mittelbereitstellungen in den Haushalten von Stadt und GmbH nach sich ziehen.
Die Kulturinsel ist schwer in die Jahre gekommen und muss in absehbarer Zeit grundsaniert, wenn nicht, erneuert werden. Das Gezeitenland wird älter und erfordert zusehends mehr Investitionen. Dies sind nur einige Beispiele. Jeder hier im Saal kann sicher weitere Probleme benennen.

Wie geht man mit der Situation um? Ganz falsch wäre es sicher, wenn man den Kopf in unseren schönen Sand stecken würde und die Dinge auf sich zukommen lässt, vielleicht mal die Abgaben erhöht, um wenigstens das Notwendigste zu machen und die unvermeidbaren tariflichen Personalkostenerhöhungen aufzufangen. Mit so einer Handlungsweise würden Stadtrat, Aufsichtsrat, Bürgermeister und Verwaltung Ihren Aufgaben sicher nicht gerecht. Das wäre verantwortungslos.
Was also tun? Man macht das, was jeder in dieser Lage tun würde. Man setzt sich zusammen und holt sich von Fachleuten Rat. Dabei bespricht und nutzt man dann auch die vorhandenen Instrumente, wie das erarbeitete Leitbild 2030, ISEK, Analysen wie z.B. die Hotelbedarfsanalyse und anderes.
Genau dies ist unter anderem in einer Aufsichtsratssitzung der GmbH geschehen, als wir uns im Aufsichtsrat vom Wirtschaftsprüfer und von einem Fachmann die Planungsszenarien für die Zukunft aufzeigen ließen und mögliche Optionen für die Zukunft besprachen. Es ging darum, Wege aufzuzeigen, wie wir zu einer nachhaltigen Sicherung und Aufstellung des Unternehmens für die Zukunft kommen und wie wir den sich gravierend ändernden Rahmenbedingungen (Fachkräftemangel, demographischer Faktor, kürzere Aufenthaltszeiten, etc.) begegnen.
Ein Thema war da natürlich auch der in einer Analyse festgestellte Bedarf an Hotelbetten und das unter Beteiligung von Inselbevölkerung, Gästen und Politik entwickelte ISEK, welches einstimmig vom Stadtrat beschlossen wurde. Meiner Meinung nach wäre es fahrlässig, wenn Politik und Verwaltung das Hotelsegment außen vor ließen, die festgestellten Bedürfnisse der Gäste ignorierten und diese Chance der Weiterentwicklung verpassten.
Natürlich muss man hier maßvoll und umsichtig vorgehen. Ein festgestellter Bedarf heißt noch nicht, dass auch alles umgesetzt wird.
Nur Denkverbote darf es nicht geben, sonst werden wir künftig große Schwierigkeiten haben, die Zukunftsaufgaben zu bewältigen. Wir werden unsere Insel nicht weiterentwickeln, wenn wir jeden Hotelbau zu einer ideologischen Frage machen. Das machen wir – meiner Meinung nach völlig zu Recht – bei der Entwicklung des Hafens, welche der notwendigen Stärkung der Wirtschaftskraft dient, auch nicht. Ein Vergleich mit der Eingrenzung des Baus von Ferienwohnungen ist ebenfalls nicht korrekt. Die Eingrenzung des Baus von Ferienwohnungen soll dazu führen, dass der Ausverkauf von Insulanerhäusern gestoppt wird, mehr Dauerwohnungen entstehen und die ständig steigenden Preise sowohl für Mietwohnungen als auch für Immobilien verhindert werden. Wir hoffen, dass sich so auch wieder unsere Borkumer Mietraum und vielleicht sogar Hauseigentum in absehbarer Zukunft wieder leisten können. Mit Hotelbau hat das nichts zu tun.
Um es deutlich zu sagen: Natürlich müssen wir uns mit dem fehlenden Bedarf an Hotelbetten beschäftigen. Etwa, wenn es um die Grundsanierung der Kulturinsel geht. Das werden wir alleine nicht schaffen.
Wenn allerdings in einem Leserbrief oder Bürgerbegehren oder in einer Presseüberschrift suggeriert wird, dass hier jetzt vier große Hotels entstehen sollen, so ist dies schlicht falsch. Es liegen weder bei der Stadtverwaltung, bei der GmbH noch beim Aufsichtsrat oder beim Stadtrat Anträge oder Pläne für vier Hotels vor.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Thema „Miramar“ sagen, bevor ich zum Ende meiner Ausführungen komme und das Wort übergebe: Ich habe ja schon einiges in der letzten Ratssitzung hier an gleicher Stelle dazu gesagt und bin eingehend auf die Gründe eingegangen, warum wir es uns nicht leisten können, einem Investor, der einen hohen Kaufpreis für unser Grundstück zahlen will, der signalisiert hat, dass er dem, was im Leitbild Borkum 2030 und im ISEK festgestellt wurde, folgt, und der nicht zuletzt Arbeitsplätze schafft und auch mittel- und langfristig zu einer Hebung der Wirtschaftskraft beiträgt, von vornherein die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
Dies hat der Verwaltungsausschuss mehrheitlich genauso gesehen und deshalb am 02.05.2019 beschlossen, mich mit der Durchführung weiterer Gespräche mit dem Investor zu beauftragen und nichts anderes.
Die Anregung aus der letzten Ratssitzung, ein öffentliches Vergabeverfahren durchzuführen, habe ich rechtlich prüfen lassen. Es wird hier von einem öffentlichen Vergabeverfahren abgeraten, da die Voraussetzungen ungleich sind und eine chancengleiche Bewertung von Konzepten anderer Bewerber nahezu nicht möglich ist. So hat ein anderer Bewerber z. B. Grundstücksgrenzen bzw. Baugrenzen zum Miramar-Grundstück einzuhalten, was die Bebaubarkeit und Wertigkeit des Grundstücks erheblich mindert.
Andere potenzielle Bewerber hätten nicht die Möglichkeit, neben dem zu veräußernden Grundstück auch das Grundstück des bestehenden Miramar miteinzubeziehen. Hieraus ergeben sich Verhältnisse und Konzepte, die in einem Vergabeverfahren nicht vergleichbar sind. Da drohen lt. Anwalt Schadensersatzansprüche unterlegener Bieter.
Wir haben das WSA-Grundstück gutachterlich schätzen lassen. Danach beträgt der Kaufpreis 765 Euro/qm. Bei einer Verkaufsfläche von rd. 4.000 qm sprechen wir von einem Kaufpreis von rd. 3.060.000 Euro.
Dies dürfte von einem anderen Investor nicht zu erzielen sein, insbesondere auch dann nicht, wenn man dort andere Nutzungsideen verfolgen will, etwa die Schaffung von Dauerwohnraum, Parkplätzen, einer Fun-Halle oder Ähnliches, was schon genannt wurde. Andere Nutzungen des bislang unansehnlichen Grundstückes dürften daher allein wegen der Wertigkeit wenig Sinn machen.
Wir haben festgestellt, dass Bedarf an barrierefreien Hotelbetten besteht. Ich bin da bereits in der letzten Ratssitzung näher drauf eingegangen. Wir haben hier einen Investor, der bereit ist, allen Vorgaben zu folgen, welche die Stadt an ihn stellt. Er hätte eine Vielzahl von Bedingungen zu erfüllen, die in einem rechtsverbindlichen und sanktionsbewährten öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt würden. Nebenbei: Auch der Wanderweg entlang der Dünen würde bestehen bleiben. Sowohl über Änderungen des Bebauungsplans als auch über den Grundstücksverkauf wird öffentlich in einer Bauausschusssitzung beraten und dann öffentlich in einer Ratssitzung entschieden und nicht hinter verschlossenen Türen, wie von einem oder anderen suggeriert wird. Es liegt jetzt am Investor, uns seine genauen Vorstellungen über die architektonische, sich der Bäderarchitektur anpassende Bauweise, Barrierefreiheit, energetische nachhaltige Gestaltung, Bauzeitraum, acht Personalwohnungen, Beeinträchtigung der Nachbarn und so weiter darzulegen. Dazu hat sich der Investor bereiterklärt. Dies alles wird öffentlich und transparent diskutiert werden. Erst wenn dies alles vorliegt, wird sich der Rat am Ende des Tages in einer öffentlichen Sitzung entscheiden. Bisher liegen nur grobe Vorstellungen und das Interesse eines Investors vor, der jetzt bereits erklärt hat, allen Vorgaben folgen zu wollen.
Meiner Meinung nach besteht die große Chance, dass uns das Projekt in unserer Entwicklung auf der Insel weiterbringt. Nicht nur aus monetären Gründen. Eine spürbare und unzumutbare zusätzliche Belastung für unsere Infrastruktur durch höchstens rd. 120 Gäste täglich mehr, wenn es denn so viele werden, wird es nach meiner Einschätzung nicht geben.
Das Leitbild Borkum 2030 und auch ISEK wurde zusammen mit Borkumern und Gästen erarbeitet.
Die letzte Stadtratssitzung hier in der Kulturinsel hat eindrucksvoll gezeigt, dass wir gemeinsam gut in der Lage sind, unsere drängenden Zukunftsfragen in einem kritischen und zugleich konstruktiven Dialog zu behandeln. Das möchten wir heute fortsetzen.
Die Diskussion um die Fläche des WSA-Bauhofs, welches durchaus ein zentraler Punkt im Kurviertel und im ISEK ist, zeigt, dass Redebedarf besteht und es viele Fragen gibt, die wir gern beantworten möchten.
Dazu stehen wir Ihnen heute zur Verfügung. Der Geschäftsführer der NBG, Charlotte Herbst vom Stadtplanungsbüro Baumgart + Partner und Jan Sönnichsen vom Destinationsentwickler destinationlab, die Ihnen bereits aus dem ISEK-Prozess bekannt sind, werden Ihnen in 3 Impulsvorträgen wichtige Informationen liefern, bevor insbesondere Sie Ihnen in der Podiumsrunde auch ihre Fragen beantworten. Richten Sie gerne Ihre Fragen an uns. Sie können auch gerne uns alle im dritten Teil dieser Sitzung in einer offenen Dialogrunde ansprechen. Nichts soll offen bleiben. Was wir heute nicht beantworten können, wird nachgereicht. An der Anwesenheit der Ratsmitglieder können Sie erkennen, wie wichtig Ihre Fragen und die Antworten für den Entscheidungsprozess sind.

So, jetzt habe ich genug geredet. Ich wünsche uns einen informativen Abend mit einem sachlichen und fairen Dialog sowie konstruktiven Gesprächen. Im Grunde wollen wir doch alle das Gleiche, ein lebens- und liebenswertes Borkum, welches die Herausforderungen der Zukunft meistert und wo auch unsere Kinder und Enkel gerne und gut von unseren Gästen leben wollen und können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.