Lehrerlaufbahn in Schlesien

Oskar Freund wurde am 25. Oktober 1896 als Sohn des Fabrikangestellten Willi Freund und dessen Frau Ernestine (geb. Wolff) in Neustadt (Oberschlesien) geboren. Dort besuchte er von 1903 bis 1910 die Volksschule. An der Präparandenanstalt in Strigau absolvierte er zwischen 1910 und 1913 die Lehrerausbildung und schloss zwischen 1913 und 1915 das Königliche Evangelische Schullehrerseminar in Steinau (Oder) ab, wo er am 22. Dezember 1915 die erste Lehrerprüfung mit weithin guten Noten bestand.

Vom 21. Februar 1916 bis zum 6. Dezember 1918 war er Soldat im Regiment Nr. 6 der Feldartillerie im Ersten Weltkrieg. Ab dem 25. Oktober 1916 bis Kriegsende war er Frontkämpfer und kehrte von dort verwundet zurück.¹ Als Kriegsveteran erhielt er das Eiserne Kreuz. Sein letzter militärischer Dienstgrad war Unteroffizier.

Ab dem 1. Januar 1919 wurde er auftragsweise Lehrer an der Volksschule des Dorfes Groß Saul im Kreis Guhrau und bestand dort am 25. November 1920 die zweite Lehrerprüfung. Am 1. April 1919 wurde er dann einstweilig und am 25. Oktober 1923 endgültig angestellt. Durch gute Beziehungen zum Schulrat Tobias wurde er zum 1. Mai 1924 als alleiniger Lehrer an die benachbarte Volksschule Sulkau versetzt, um die schlecht verwaltete Einrichtung wieder in Ordnung zu bringen, wofür er später von der Regierung lobend anerkannt wurde.

Am 2. Dezember 1926 heiratete er Else Margarete Blumensaat (* 24.03.1903). Im gleichen Jahr verstarb sein Vater. Am 20. Oktober 1927 wurde sein Sohn Claus-Diedrich in Glogau geboren.

Zum 1. August 1932 folgte Freund dem Angebot des nun in Brieg wirkenden Schulrats Tobias zur Versetzung an eine dortige große Volksschule, um ihn in einigen Jahren für eine der 1936 oder 1937 freiwerdenden Rektorenstellen vorzuschlagen.

Dort war er Mitglied des Lehrervereins und eines Gesangsvereins.

Nationalsozialismus

Freund war bis zum Verbot der Partei Mitglied der SPD.

Am 13. Juli 1939 wurde sein zweiter Sohn Hartmut-Georg geboren.

Weil seine Mutter Jüdin war, war Freund im Nationalsozialismus Anfeindungen und Schikane ausgesetzt. Unter anderem wurde er auf Veranlassung des NSDAP-Kreisleiters Georg Liebenau aus allen Vereinen, denen er angehörte, ausgeschlossen und in seinem Wohnbezirk wurde mit hetzerischen Zetteln an Mauern und Zäunen versucht, die Bevölkerung gegen ihn aufzubringen. 1935 wurde auf Druck der NSDAP seine Pensionierung beschlossen und nur aufgrund des Eintretens des einflussreichen Rektors der Brieger Volksschule zurückgenommen.

Er konnte dadurch, dass das gesamte Kollegium für ihn bürgte, lange der Inhaftierung entgehen. Am 13. Oktober 1944 wurde er dann von der Gestapo verhaftet und zusammen mit 30 bis 40 anderen „Halbjuden“ zunächst in das Zwangsarbeitslager Blankenburg, dann in das Zweiglager Hedersleben, zum Aufbau einer Benzindestillationsanlage, gebracht.² Am 12. April 1945 wurde er durch die einrückenden US-Streitkräfte befreit.

Neuanfang in der Ostzone

Freund wurde am 24. April 1945 noch unter amerikanischer Besatzung als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Hedersleben eingesetzt. Er trat 1945 wieder in die SPD ein und wurde im Zuge der Zwangsvereinigung SED-Mitglied. In der sowjetischen Besatzungszone war er gesetzlich anerkanntes Opfer des Faschismus und Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (Mitgliedsnummer 3759).

Zum 1. September 1945 wurde Freund Rektor der wiedereröffneten Grundschule Hedersleben, die er schnell zu einer zentralen Schule in der Region ausbaute. Er wurde 1945 zum Kreisvorsitzenden der Gewerkschaft Lehrer und Erzieher gewählt.

1949 wurde er ehrenamtlicher Kreisrat des Landkreises Quedlinburg und Dezernent des Jugend- und Volksbildungsamtes.

Seine Mutter Ernestine Freund starb 1950.

Freund agierte gegen die zunehmend autoritäre Linie der sowjetisch-beeinflussten SED und setzte sich für ein demokratisches Staatssystem ein. Parteifunktionäre feindeten ihn dafür an, dass er erklärte, man müsse „auch gegenüber Klassenfeinden menschlich denken“. Sein Versuch, den „Klassenkampf zu bereinigen“ und seine Ablehnung der politischen Theorie Lenins wurden ihm als „Opportunismus und Versöhnlertum gegenüber dem Klassenfeind“ ausgelegt. Unter anderem habe er sich gegen die Ausweisung einer enteigneten Bauernfamilie eingesetzt. Zitiert wurde er dazu mit den Worten: „Ich lasse mich nicht zu Unmenschlichkeiten hinreißen.“ Außerdem soll Freund die sowjetischen Reformen in der Ostzone mit Terrormaßnahmen im Nationalsozialismus verglichen haben.

Flucht & Leben in der Bundesrepublik

Anfang Mai 1950 eskalierten die Spannungen mit der Parteiführung und Freund überwarf sich endgültig mit vielen Parteifunktionären. Er wurde vom Kreisvorstand aus der Partei ausgeschlossen, woraufhin er begann, sich um eine Anstellung im Schuldienst in der Bundesrepublik zu bemühen. Er erklärte, dass ein Verbleib in der Ostzone unmöglich sei, „da ich gegen mein Gewissen nicht handeln kann.“

Durch Vermittlung des Oberschulrats Günter Frede in Hannover, der Freund aus gemeinsamer Zeit in Quedlinburg kannte, bewarb dieser sich am 22. Juni 1950 auf eine Lehrerstelle im niedersächsischen Regierungsbezirk Aurich, da er durch den Ausschluss aus der SED seine berufliche Zukunft und persönliche Sicherheit in der DDR stark gefährdet sah.

Am 2. Juli 1950 wurde Freund während des Unterrichts unter dem Vorwand des verbotenen Waffenbesitzes während des Unterrichts verhaftet. Freund beschrieb, dass er lediglich durch einen glücklichen Zufall, nämlich, dass er als Häftling „an einen Menschen geriet, der trotz seiner Stellung noch Mensch geblieben“ sei, aus der Haft entlassen wurde. Sofort nach der Haftentlassung am 6. Juli floh er gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen nach Westberlin und wurde am 18. Juli in der Notaufnahmestelle Kuno-Fischer-Straße beim Magistrat von Groß-Berlin als politischer Flüchtling aus der DDR registriert und anerkannt.

Am gleichen Tag berief der Regierungspräsident in Aurich Freund ins Beamtenverhältnis des Landes Niedersachsen und übertrug ihm zum 1. August eine Lehrerstelle an der , die er zum Schulbeginn am 2. August antreten sollte. Freund konnte Berlin allerdings erst am Folgetag auf dem Flugweg verlassen, da er zunächst auf die Aufenthaltsgenehmigung warten musste. Mit seiner Ankunft auf Borkum am 5. August begann er die Lehrtätigkeit an der Volksschule.

Nachdem Freund durch die Flucht nach fünf Jahren erneut seine Existenz und allen Besitz verloren hatte, lebte er zu Beginn der 1950er Jahren in sehr armen Verhältnissen und war verschuldet, da er übriges Geld zur Finanzierung des Studiums seines Sohnes ausgab. Im Oktober 1951 bat er den Regierungspräsidenten um finanzielle Unterstützung, da er kein Geld mehr für Grundnahrungsmittel und Heizmaterial hatte.

Am 15. März 1951 wurde Freund als niedersächsischer Staatsbeamter auf Vorbehalt vereidigt. Nach Absolvierung der notwendigen zweijährigen Zeit im niedersächsischen Schuldienst wurde er per Verfügung vom 6. Dezember 1952 vom Regierungspräsidenten endgültig ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Am 25. Oktober 1954 wurde er vom Regierungspräsidenten zu seinem 40. Dienstjubiläum geehrt.

In einem Bericht der Schulbehörde aus dem September 1952 wurde Freund als „ernster, gewissenhafter Lehrer“ beschrieben, der „zu den Kindern in einem väterlich vertrauten Verhältnis“ stehe.

Am 20. Februar 1956 stellte Freund den Antrag auf Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes. Er beantragte die nachträgliche Beförderung zum Rektor, die Berufung in eine Rektorenstelle und die Nachzahlung der Gehaltsunterschiede und legte durch mehrere Zeugenaussagen glaubwürdig dar, dass seine bereits geplante Ernennung zum Rektor in Brieg unter Herrschaft der Nationalsozialisten unmöglich gemacht wurde. Der Antrag wurde dem Bundesinnenminister Schröder zur Entscheidung vorgelegt, der entschied, dass davon auszugehen sei, dass Freund „am 1. Oktober 1937 zum Rektor […] befördert worden wäre und das dadurch erlangte Amt am 8. Mai 1945 noch bekleidet hätte.“ Freund wurde die Amtsbezeichnung „Rektor z. Wv.“ zugesprochen.

1960 verstarb seine Frau Else Freund und 1972 seine zwei Jahre jüngere Schwester Helene Freund.^{3, 4}

Oskar Freund lebte 1971 bis zu seinem Tod 1973 bei seinem Sohn Claus († 25.11.2013) in Rendsburg, der dort als Studiendirektor tätig war.⁹ Am 23. Dezember 1973 verstarb er dort im Alter von 77 Jahren. Am 7. Januar 1974 wurde er auf dem lutherischen Friedhof beigesetzt. Zuletzt äußerte er den Wunsch, anstelle von Blumen und Kränzen, Spenden für das Borkumer Altenheim zu sammeln.⁵